Der zweifache Judo-Olympiasieger Peter Seisenbacher über die Chancen der Österreicher bei den Olympischen Spielen in Peking. Und über Judo als "Therapie".

Sie haben 1984 in Los Angeles den Olympiasieg im Judo geholt und 1988 in Seoul verteidigt. Muss Österreich von solchen Erfolgen künftig träumen?
PETER SEISENBACHER: Im Gegenteil. Es ist die beste Mannschaft aller Zeiten, die heuer nach China fährt: mit dem Oberösterreicher Ludwig Paischer und der Salzburgerin Sabrina Filzmoser schicken wir die amtierenden Europameister in ihren Klassen zu den Spielen. Und auch Claudia Heill (Anm.: die 2004 als erste Dame für Österreich eine Olympia-Medaille holte) ist wieder dabei. Die Jungen sind im besten Wettkampfalter, und bei Heill fällt durch ihre Olympia-Erfahrung die Nervosität weg.

Das wissen Sie als Doppel-Olympiasieger ja bestens aus eigener Erfahrung.
SEISENBACHER: Bei der Olympiade dabei zu sein bedeutet auch ohne Nervosität schon eine enorme Belastung. Der ganze Trubel, die Hitze, der Stress - es waren in meiner aktiven Zeit beide Male die zwei anstrengendsten Wochen.

Was war Ihr Erfolgsgeheimnis?
SEISENBACHER (schmunzelt): Da gab es viele. Judo ist wie ein Labyrinth, und viele finden ihr Leben lang den Ausgang nicht. Schade ist nur, dass der Sport durch die Schnelligkeit unattraktiv für Fernsehzuseher ist.

Leider auch zunehmend unattraktiv für die Jugendlichen...
SEISENBACHER: Das Problem ist, dass für träge Kinder schon eine einfache Judorolle eine Überforderung ist. Sie haben einen engen Terminkalender, Klavier, Schule, da bleibt für Bewegung wenig Zeit. Und die Aggressivität steigt. Ich sage: Weg von der Straße, rauf auf die Judomatte. Das würde viele Probleme lösen.

Für viel Diskussionen hat die brutale Niederschlagung der Unruhen in der chinesischen Provinz Tibet gesorgt. Einige Politiker wollen nun die Eröffnungszeremonie boykottieren. Wie sehen Sie das?
SEISENBACHER: Man sollte als Gesamtösterreicher natürlich darauf reagieren, doch gefordert sind in dieser Angelegenheit Politik und Wirtschaft, passende Maßnahmen ein Einfuhrverbot von chinesischen Waren oder der Abbruch von diplomatischen Beziehungen. Aber man darf Sportler nicht zwingen, auf den sportlichen Höhepunkt ihres Lebens zu verzichten - das geht so nicht.